Am Ostersamstag starteten wir zur Senioren Hallen-EM in Ancona (ital. Adria). Die fast 1400 km Autofahrt unterbrachen wir nach ca. 800 km mit einer Übernachtung in der Schweiz. Beim abendlichen Studium der Speisekarte war die Versuchung groß, auf Grund der dortigen Preise eine Diät einzulegen. Es blieb bei der Versuchung! Ostersonntag ging die Fahrt nach einem spartanischen Frühstück weiter nach Ancona. Das lange Sitzen im Auto trug mit Sicherheit nicht zur guten Beweglichkeit bei.
Zu Hause hatte ich mich mit 3 Trainingseinheiten/Woche gut vorbereitet, glaube ich, oder war es doch zu viel oder zu wenig??? Erste Zweifel und Unsicherheit, ob ich dem allem gewachsen bin, machten sich breit.
Am Ostermontag fuhren wir (natürlich Kurt und ich) zur Sporthalle „Palaindoor“, holten dort die Startunterlagen ab, bekamen am ersten Stand ein Art Akkreditierungskarte, mit der ich beim zweiten Stand dann zu den gemeldeten Strecken über 400 m, 800 m und 1500 m einchecken konnte - natürlich mit schriftlicher Bestätigung. Die Vorbereitungen zu den eigentlichen Läufen waren somit erledigt. Deutsche Teilnehmer trafen wir nur vereinzelt, obwohl ca. 300 für unterschiedliche Disziplinen gemeldet waren. Da über 400 m nicht mehr als 6, über 800 m und 1500 m nicht mehr als 10 Starterinnen gemeldet waren, entfielen zum Glück Vor- und Zwischenläufe. So konnten wir die folgenden Tagen dazu nutzen, uns einige Rennen anzuschauen.
Dann der Donnerstag, Start des 800 m-Laufes um 21.30 Uhr, ja wirklich so spät am Abend, wo man eigentlich schon ausspannen sollte. 20 Minuten vor dem Start musste man sich im Callroom einfinden. Hier wurde abgehakt, dass man wirklich startete, dass die Startnummern vorne und hinten richtig angebracht waren und dass die Spikes den Regeln entsprachen. Die große Aufregung vor dem Start ist bei den meisten Mitstreiterinnen zu erkennen. Man kann sich im Callroom nicht zu sehr aus dem Weg gehen. Kurz vor dem Start wurden wir nun im Gänsemarsch in die Arena, sprich in den Startbereich mit den 6 Laufbahnen geführt. Nun das gleiche Duell wie bei den Europameisterschaften 2011 in Gent: zwei Engländerinnen, die eine amtierende Freiluftweltmeisterin und die andere mit der noch gültigen Weltbestzeit aus der W60 und eine sehr gute Italienerin. Allen war ich damals unterlegen. Daneben noch eine starke Holländerin, die anderen Frauen kannte ich nicht. Schon kurz nach dem Start setzten sich 5 Läuferinnen ab, ich war dabei!, an vierter Stelle. Die beiden Engländerinnen und die Italienerin liefen weiterhin ein sehr hohes Tempo. Die Holländerin fiel nach 200 m schon etwas zurück, und ich musste nach 400 m abreißen lassen. Das Tempo war unvermindert hoch und so konnte auch die Italienerin nach 600 m nicht mehr ganz folgen, aber immer noch 8 – 10 m vor mir. Auf der letzten 200 m-Runde puschten nun einige deutsche Athletinnen mit Zurufen wie „nicht abreißen lassen“. Das motivierte ungemein, hieß aber auch trotz brennender Oberschenkel Gas geben und die letzten Reserven zu mobilisieren. Auf den letzten 100 m gab ich alles (die Zuschauer mit Anfeuerungen aber auch) und kämpfte mich Meter um Meter an die Italienerin heran (was hinter mir geschah, ich weiß es nicht) und konnte sie dann tatsächlich noch kurz vor dem Ziel abfangen und mir den unverhofften Bronzeplatz sichern mit einer nicht mehr für möglich gehaltenen Zeit von 2:59,98 Minuten. Die Teilnehmer fielen sich vor Erschöpfung und Erleichterung in die Arme. Es wurden die obligatorischen Gruppenfotos der Finalistinnen geschossen. Dann der geführte Rückmarsch vom Ziel zum Callroom. Selbst überglücklich wurde ich beim Verlassen der Laufstrecke von den zahlreichen deutschen Zuschauern/Athleten mit LaOla-Wellen empfangen – das ging unter die Haut!!!. Um 22.40 Uhr (eine Uhrzeit, bei der ich normalerweise schon im Land der Träume bin) war die Siegerehrung. Die englische Nationalhymne wurde für die siegreiche Engländerin abgespielt. Anschließend fuhren wir in unsere Unterkunft in Porto Racanati, ca. ¾ Std. Autofahrt entfernt. Vor lauter Glückseligkeit und mehrmaligem Revue passieren lassen des Wettkampfes, war an Schlaf nicht zu denken, aber der Entschluss, die 1500 m am Samstag zu canceln, um am Sonntag nochmals alles zu geben können, stand für mich fest.
Dieses wurde auch sofort am Freitag umgesetzt. Ich hatte einfach zu viele Körner beim 800 m-Lauf gelassen. Man wird ja auch nicht jünger. Wir machten einen Stadtrundgang durch Ancona mit anschließendem Relaxen, Sonnenbaden und mentaler Vorbereitung auf den am Sonntag stattfindenden 400 m-Wettkampf.
Die Startzeit 10.05 Uhr war das Kontrastprogramm zum 800 m-Nachtlauf! Im Klartext, 6.00 Uhr aufstehen, kleines Früstück, Anreise zur Halle, Warmmachen, Checkin im Callroom, geführter Gänsemarsch zum Start. Beim kleinen Plausch während des Warmmachens hörte man, das es „das Event“ einer Engländerin werden sollte, sie wollte den bestehenden Europarekord knacken. So wurde in diesem Lauf auch von Anfang an höchstes Tempo gelaufen, so dass nach 200 m schon das Endergebnis sichtbar wurde. Der Europarekord wurde von der Engländerin tatsächlich geknackt und ich erreichte auch hier einen Bronzeplatz mit einer Zeit von 81,13 Sekunden. Die Zeit war nicht überragend, aber nach vorne und hinten waren die Abstände zu groß, um noch mehr zu powern. Nach der Siegerehrung, wieder mit der englischen Hymne, sahen wir uns noch einige Staffelläufe an, um dann aber am Nachmittag zurück in unsere Unterkunft zu fahren. Hier war Koffer packen angesagt, denn ab Montag begann der eigentliche, wohlverdiente Urlaub in Österreich mit einem Zwischenstopp am Gardasee.
Es war wieder ein tolles Erlebnis mit vielen neuen Eindrücken, Erfahrungen und Bekanntschaften, so dass ich hoffe, nochmal an solch einem Event teilnehmen zu können.
(Bericht von Veronika Scharbatke)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen